Sonntag, 15. Juli 2012

Dezső Kosztolányi - Ein Held seiner Zeit

Der erste Satz: "Die Hälfte meines Lebens war schon vorbei, als mir an einem windigen Frühlingstag Kornél Esti in den Sinn kam"

"Ich musste lächeln. Und stieg langsam aus." Das ist der letzte Satz des Helden, mit dem er sich vom Leser verabschiedet, der ihn in seinem turbulenten Leben über dreihundert phantastische Seiten begleiten durfte. Und auch ich musste lächeln, als ich das Buch zugeklappt habe, sehr froh darüber, über ein so außergewöhnliches Buch gestolpert zu sein.
Kornél Esti, "Ein Regenbogen in der kalten dunklen Nacht", wie Péter Esterházy ihn im Nachwort bezeichnet, geht mir nicht aus dem Kopf und - er fehlt mir.
Episodenhaft schildert der Autor, zu Beginn in der auktorialen, dann aus der Ich-Perspektive, das Leben des Kornél Esti, von seiner Kindheit bis zum späteren Erwachsenenleben.
Schon als Kind gilt er als aufsässig, stellt die bürgerlichen Normen und Werte in Frage, bis er sich aufmacht zu seiner lebenslangen Reise durch Europa.
Aus dem schüchternen Jüngling, der zum ersten Mal seinen Fuß auf italienischen Boden setzt, wird in den Kaffeehäusern der dreißiger Jahre ein Dichter, der dort auf wunderliche Menschen und skurrile Situationen trifft.
So kommt er durch eine unbekannte Tante zu großem Reichtum und von der Auffassung, ein reicher Dichter würde nicht ernstgenommen, getrieben ersinnt er sich Taktiken, das Geld möglichst unauffällig loszuwerden.
Er macht einen Ausflug in die "ehrliche Stadt", in der das Lügen verpöhnt ist. In der ein Bettler ein Schild mit der Aufschrift "Ich bin nicht blind. Die schwarze Brille trage ich nur sommers." trägt.
Ein Mann, der ihn vor dem Tod des Ertrinkens bewahrt hat, wird von Esti schließlich selbst in den Fluss gestoßen, als dieser ihm ein schlechtes Gedicht vorträgt.
Das sind nur drei der insgesamt achtzehn Episoden, während derer Esti, nachdenklich und humorvoll, schweigsam und extrovertiert aber immer als einzigartige Persönlichkeit und mit weit geöffneten Augen, seinen Weg durch die Welt geht.

Das Buch lässt sich in einem Zug durchlesen, trotzdem lohnt es sich, den ein oder anderen wunderbar formulierten Satz zweimal zu lesen und sich Zeit zu lassen für Kornél Estis Gedankenwelt.
Bestimmt einer der besten ungarischen Autoren, von denen ich gelesen habe.

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